Verhaltenstherapie

„Nichts ist so erfrischend
wie ein beherzter Schritt
über die Grenzen.“
Keith Haring (US-amerikanischer Künstler, 1958 - 1990)

Unter Verhaltenstherapie versteht man eine Vielzahl von Behandlungsmethoden, die allesamt auf der Annahme gründen, dass unser Leben durch Lernvorgänge geprägt ist und so entwickelte Verhaltensweisen durch neue Erfahrungen auch wieder verlernt werden können. „Lernen“ wird dabei verstanden als ständige weitgehend unbewusste Anpassung und Veränderung des Verhaltens an sich verändernde Umstände. Auch psychische Störungen werden im Wesentlichen als Folge ungünstiger oder belastender Lernerfahrungen gesehen. Wenn verschiedene Lebenserfahrungen zusammen wirken, können sie zu dauerhaft belastenden körperlichen und/oder psychischen Symptomen führen.

Das Bestreben der Verhaltenstherapie ist es, vorteilhafte Bedingungen für neue Lernerfahrungen zu entwickeln und dabei mit dem Klienten Verhaltensweisen zu kreieren und einzuüben, die die Symptome abmildern oder sogar beseitigen. In einem schrittweisen Vorgehen und langsame Annäherung an die grundlegende Problematik werden sichtbare Veränderungen angestrebt.

Im ersten Schritt werden die vorliegende Beschwerden gemeinsam mit dem Klienten analysiert und versucht, das dahinter verborgene Verhaltensmuster zu begreifen. Im zweiten Schritt werden die Therapieziele detailliert definiert, die Behandlungsprinzipien erläutert und ein genauer Therapieplan festgelegt. Gemeinsam werden Ideen von konkreten Handlungsweisen entwickelt, die dazu führen, dass die Probleme gelindert werden. Grundsätzlich steht die „Hilfe zur Selbsthilfe“ für den Klienten im Mittelpunkt. Der Klient wird jederzeit in die Abläufe, Entscheidungen und Einsichten mit einbezogen. Er wird angeleitet, die Verantwortung für den eigenen Prozess zu übernehmen. Typisch für die Verhaltenstherapie ist die aktive Mitarbeit des Klienten, z.B. in Form von „Hausaufgaben“ die zwischen den Sitzungen einzuüben sind. durchzuführen sind.

Für welche Problematiken eignet sich die Verhaltenstherapie besonders?

  • Angststörungen (z.B. Phobien vor Spinnen, engen Räumen, großen Plätzen)
  • auffälliges Essverhalten (z.B. Magersucht, Bulimie, Adipositas)
  • Suchterkrankungen (z.B. Alkohol, Medikamente, Computersucht, Spielsucht, Kaufsucht)
  • Zwangsstörungen (z.B. Wasch- und Putzzwänge, Ordnungszwänge, Zählen, Obsessionen, rituelle Handlungen, Perfektionismus)
  • sexuelle Funktionsstörungen (z.B. vorzeitiger Samenerguss, Frigidität)
  • psychosomatische Störungen (z. B. Spannungskopfschmerz, Bluthochdruck)
  • Schuld und Scham (z.B. unkontrollierbares Erröten)

Die Hauptverfahren der Verhaltenstherapie

In der Verhaltenstherapie gibt es mehr als 50 verhaltenstherapeutische Einzelverfahren, von denen sich die meisten zu folgenden Hauptrichtungen zuordnen lassen:

Konfrontationsverfahren

Ziel der Konfrontationstherapie ist es, dass sich der Betroffene gezielt mit angstauslösenden Situationen, seiner Reaktion darauf, beispielsweise der Angst und den körperlichen Reaktionen konfrontiert. Dadurch werden neue Lernerfahrungen gemacht, wie etwa, dass die Angst nachlässt, wenn er nicht aus der Situation flieht, sondern sich ihr stellt. Die Angst vor der Angst wird abgebaut! Durch die bewusste Beobachtung der Gedanken, Gefühle und Körperreaktionen lässt sich erkennen, wie die Angst abgebaut oder gesteigert werden kann. Konfrontative Einzelmethoden sind z.B. Eye Movement Desensitization and Reprocessing (EMDR), Angstbewältigungstraining, Reizüberflutung, Systematische Desensibilisierung.

Operante Verfahren

Diese Form richtet sich auf die Symptombehandlung, wie etwa durch Verstärkung von erwünschtem Verhalten (Belohnung durch Lob, Zuwendung, Auszeichnungen) und dem Abbau von unerwünschtem Verhalten durch Erlernen von Alternativverhalten. Operante Einzelmethoden sind z.B. Biofeedback, Rollenspiel, Entspannungstechniken, Kommunikationstraining, Training sozialer Kompetenzen, Token-System.

Methoden der Selbstkontrolle

Allgemein ist die Selbstkontrolle eines der Ziele der Verhaltenstherapie. Es gibt aber auch eine Reihe von Techniken für ein Selbstmodifikationsprogramm, die nach einer Vorbereitung vom Klienten alleine durchgeführt werden. Innerhalb weniger Therapiestunden wird ihm genügend Eigenverantwortung vermittelt, um eine Selbständigkeit im Therapieprozess zu erreichen. Selbstkontrollmethoden beginnen mit der Selbstbeobachtung des Problemverhaltens, der auslösenden Situation und schließen eine Verhaltensanalyse ein. Anschließend wird ein neues, erwünschtes Zielverhalten definiert. Zu den Selbstkontrollmethoden gehören die Stimulus- und Reaktionskontrolle, Selbstverstärkung und Selbstbestrafung, Soziale Kontrakte (Zielvereinbarungen) und die Gedankenstopp-Methode.

Therapeutisches Rollenspiel

Rollenspiele haben eine lange Tradition bei den Verhaltenstherapien. Mit ihnen wird eine Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungs- und Konfliktfähigkeit angestrebt. Über Rollenspiele können Erinnerungen an konkrete Situationen und der beteiligten Gefühle aufgerufen, bestimmte Verhaltensmuster erkannt und neue Verhaltensweisen eingeübt werden.

Kognitive Verfahren

Die Kognitive Verhaltenstherapie verwendet kognitive Techniken (unsere Einstellungen, Gedanken, Vorstellungen und Interpretationen betreffend) und verhaltensbezogene Methoden. Vertreter dieser Therapierichtung gehen davon aus, dass jeder Mensch im Laufe seines Lebens durch persönliche Erfahrungen und Nachahmung für ihn typische Verhaltensmuster, Einstellungen und emotionale Reaktionsweisen erlernt hat. In der Therapie werden problematische Verhaltensweisen, Denkmuster und Einstellungen konkret angegangen. Der Betroffene lernt dabei, diese zu erkennen und mit Unterstützung des Therapeuten dahingehend zu verändern, dass die Symptome der Erkrankung positiv beeinflusst werden. Die kognitive Verhaltenstherapie arbeitet nach dem Grundsatz: "Denke positiv und versuche Dinge in Deinem Leben auch einmal aus einer anderen Warte zu sehen." 

Die Rational Emotive Verhaltenstherapie (REVT) ist die erste und älteste kognitive Verhaltenstherapie. Sie wurde in den 50er Jahren von dem amerikanischen Psychologen Albert Ellis entwickelt. Grundannahme seines therapeutischen Konzeptes ist, dass Gefühle und Verhaltensweisen ein direkter Ausdruck von Gedanken sind. Die Ursachen einer psychischen Störung sind eine Folge irrationaler Gedankeninhalte und Ziele. Der Therapeut versucht diese irrationalen Gedankeninhalte, Denkgewohnheiten und unrealistische Ziele des Klienten aufzudecken und so zu modifizieren, dass eine Änderung und Neuanpassung möglich wird.